Offener Brief: Breites Bündnis der deutsch-französischen Zivilgesellschaft kritisiert geplante Schließung der Goethe-Institute in Frankreich

Ein Zusammenschluss der deutsch-französischen Zivilgesellschaft fordert von Bundesregierung, Bundestag und Goethe-Institut, die Goethe-Institute in Bordeaux, Lille und Straßburg nicht zu schließen. In einer ersten Reaktion auf einen von der VDFG initiierten Offenen Brief erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Pressekonferenz zur deutsch-französsichen Kabinettsklausur in Hamburg zwar: „Sie können sicher sein, dass wir alles dafür tun, dass wir eine gute Entwicklung haben, die es möglich macht, dass es eine starke Präsenz des #Goethe-Instituts in 🇫🇷 auch in Zukunft geben wird.“ Man habe die Entscheidung zur Schließung „zur Kenntnis genommen“, aber das Goethe-Institut e.V. bleibe „eine in ihren Entscheidungen unabhängige Institution“, so der Bundeskanzler.

Das stimmt aber nicht ganz. Der Rahmenvertrag zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut e.V. sagt klar: „Für die Errichtung oder Schließung von Kulturinstituten ist die Zustimmung des Auswärtigen Amtes erforderlich. Vorschlägen des Auswärtigen Amtes zur Errichtung oder Schließung von Kulturinstituten wird das Goethe-Institut entsprechen.“ Damit ist klar, dass die Bundesregierung, aber auch und vor allem der Bundestag, der zur Zeit über den Bundeshaushalt 2024 berät, noch handeln kann. Der Appell von inzwischen mehr als 80 Organisationen und weit über 1.500 Unterstützer:innen steht also, solange die Haushaltsberatungen nicht abgeschlossen sind: Die Goethe-Institute müssen erhalten bleiben!

Innerhalb weniger Tage haben sich (Stand: 12. Oktober, 22:00 Uhr) mehr als 80 Institutionen und Verbände sowie weit über 1.500 Personen und Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik, Medien und Gesellschaft zusammengefunden, um den offenen Brief der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa e.V. (VDFG) zu unterstützen, der der Bundesregierung, dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und dem Goethe-Institut e.V. am 9. Oktlober zugegangen ist. Die VDFG vertritt rund 22.000 engagierte Mitglieder der deutsch-französischen Zivilgesellschaft.

Zu den Erstunterzeichner:innen des Briefs zählen Beate und Serge Klarsfeld, Georges-Arthur Goldschmidt, Prof. Dr. Emmanuelle Charpentier, Dr. Carolin Emcke, Prof. Dr. Thomas Gaethgens, Prof. Dr. Detlev Ganten, Tina Graf, Prof. Dr. Hélène Miard-Delacroix, Dr. Jonathan Landgrebe, Prof. Dr. Wolf Lepenies, Dr. Nils Minkmar, Prof. Dr. Bénédicte Savoy, Prof. Dr. Gesine Schwan, Dr. Linn Selle, Patrick Süskind, Ulrich Wickert oder die Band Zweierpasch.

Zu den institutionellen Unterstützer:innen zählen die Académie de Berlin, das Centre Français de Berlin, der Deutsch-Französische Bürgerfonds, das Deutsch-Französische Jugendwerk, der Deutsch-Französische Kulturrat, die Europäische Bewegung Deutschlands, das Europa Institut CIFE, Libingua, die Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit, die Stiftung Genshagen, das Réseau Abibac, ProTandem, Une Terre Culturelle oder die Vereinigung der Französischlehrerinnen und -lehrer. Unter den Erstunterzeichner:innen befinden sich mehrere Preisträger:innen, beispielsweise des Adenauer-de-Gaulle-Preises, des Großen Deutsch-Französischen Medienpreises oder des Nobelpreises. Der Brief ist unter vdfg.de/goethe einsehbar.

Seit Langem beklagen Freund:innen wie Akteur:innen der deutsch-französischen Zusammenarbeit einen wachsenden Mangel an Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich: Die Uneinigkeit auf politischer Ebene und der jahrelange Rückgang des Sprachunterrichts in beiden Bildungssystemen sind tragende Beispiele. Goethe-Institute in Frankreich sind dabei ein wichtiges Mittel, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, durch breit gefächerte Kulturangebote, Sprachunterricht und vielfältige Veranstaltungen über deutsche und europäische Themen. Nun sollen die Haushaltsmittel dafür im Bundeshaushalt 2024 gekürzt werden.

Die VDFG ruft dazu auf, in diesen welt- und europapolitisch schwierigen Zeiten nicht das Fundament zu schwächen, auf dem unser friedliches und kooperatives Zusammenleben in Europa beruht: die enge Zusammenarbeit und Verständigung zwischen Deutschen und Französinnen und Franzosen. Kürzungen im Bereich des kulturellen Austauschs, der Begegnung und des Spracherwerbs sind kein probates Mittel. Nicht zuletzt verpflichtet der Vertrag von Aachen aus 2019 beide Länder, sich in diesem Punkt zu engagieren – und nicht, sich zurückzuziehen.

VDFG-Präsident Jochen Hake sieht den Vorstoß der Zivilgesellschaft als dringend notwendig an: „Die Politik betont stets, der Zivilgesellschaft und dem ehrenamtlichen Einsatz in den binationalen und europäischen Belangen einen höheren Stellenwert einräumen zu wollen. Da wäre es nur konsequent, von dieser unpopulären Maßnahme, die dem Geist der Verträge des Elysée und von Aachen diametral entgegensteht, Abstand zu nehmen. Eine Neuausrichtung der Goethe-Institute ist nachvollziehbar, Schließungen in Frankreich sind dafür keine Voraussetzung.“

Beate und Serge Klarsfeld, Träger:innen des Bundesverdienstkreuzes und Mitglieder der Légion d’honneur kommentieren die Entscheidung folgendermaßen:
„Für die deutsch-französischen kulturellen Beziehungen ist das ein schwerer Schlag.“

Dr. Linn Selle, Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschlands, kommentiert die beabsichtigten Schließungen der drei französischen Goethe-Institute wie folgt:
„Unser geeintes Europa beruht darauf, dass Menschen sich kennenlernen und austauschen können. Kenntnisse der Sprache sind hierfür unerlässlich. Die Schließung von Goethe-Instituten in Europa ist ein fatales Zeichen und schadet dem europäischen Zusammenwachsen.“

Ansprechpartner für Presseanfragen:
Jochen Hake, Präsident der VDFG für Europa e.V., Tel. +49 (0) 172 2120715, hake@vdfg.de