Für Macron wird’s schwer

Gerade noch mit ordentlicher Mehrheit in eine zweite Amtszeit gewählt, hat Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron jetzt von den Wählerinnen und Wählern eine Korb erhalten. Bei den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni wurde sein Parteibündnis „Ensemble“ zwar stärkste Kraft, verfehlte aber die absolute Mehrheit von 289 Sitzen um 44 Mandate. Die nach den Präsidentschaftswahlen vom Linksaußen Jean-Luc Mélenchon („La France Insoumise“, LFI) in Windeseile gezimmerte Linkskoalition „Nouvelle Union Populaire Ecologique et Sociale“ (NUPES) aus LFI, Sozialisten, Kommunisten und Grünen kam auf 131 Mandate. Marine Le Pens rechtsextremes „Rassemblement National“ erzielte sensationelle 89 Sitze, während die klassische Rechte „Les Républicains“ noch einmal in etwa halbiert wurde und auf 64 Mandate kam. Dazwischen gibt es kaum noch etwas, 22 „divers gauche“ und 10 „divers droite“, 4 „divers centre“, sowie 1 „divers“ und 10 „régionalistes“. Diie Wahlbeteilligung lag bei nur 46%.

Für Frankreich, für Deutschland, für das deutsch-französische Verhältnis brechen jetzt schwierige Zeiten an, denn der Deutschland zugeneigte europafreundliche Präsident muß nun mit einer Regierung zurecht kommen, die sich ihre Mehrheiten in der Assemblée Nationale für ihre Gesetzesprojekte von Fall zu Fall suchen muß. Koalitionen im deutschen Sinne kennt Frankreich nicht. Das fordert dem Präsidenten und seinen Freunden mehr Konzentration auf das innerfranzösische Machtgleichgewicht ab; für eine Führungsrolle in Europa bleibt da wahrscheinlich wenig. Schon denkt „die Macronie“ über Neuwahlen innerhalb eines Jahres nach. Der Präsident hat das Recht, die Nationalversammlung jederzeit aufzulösen, allerdings nur einmal in einem Jahr.

Einige Details dürften von besonderem Interesse sein. Führende Figuren von Macrons Partei „La République en Marche“ (LREM), umgetauft in „Renaissance“, haben die Wiederwahl ins Parlament nicht geschafft. So unterlagen etwa der Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand, knapp und der Ex-Innenminister und Fraktionschef der LREM, Christophe Castaner, ihren Gegenkandidaten von LFI. Auch die Ministerin für ökologischen Wandel, Amélie de Montchalin, unterlag in ihrem Wahlkreis, wenn auch nur knapp. Insgesamt drei Ministerinnen schafften es nicht, ein Parlamentsmandat zu erlangen. Sie werden die Regierung verlassen müssen, wie es Macron angekündigt hatte. Es sei aber hier daran erinnert, daß in Frankreich Mitglieder der Regierung grundsätzlich nicht dem Parlament angehören dürfen, ein fehlendes Parlamentsmandat also grundsätzlich keineswegs ein Hindernis für eine Funktion in der Regierung darstellt. Ihre Kandidatur für ein Parlamentsmandat diente also einzig dem Zweck unter Beweis zu stellen, daß sie eine Wahl gewinnen können. Diesen Beweis haben die drei Ministerinnen nicht erbringen können. Hätten sie es gewonnen, hätte das Mandat ihr „suppléant“ übernommen. Sein Mandat im Grenzgebiet zum Saarland verloren hat auch der französische Co-Vorsitzende des Präsidiums der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Christophe Arend, und zwar gegen den Kandidaten der Rechtsextremen.

Seinen Wahlkreis in Paris äußerst knapp gewonnen hat dagegen der Europaminister Clément Beaune, wichtigste Stütze des Präsidenten für seine europapolitischen Ambitionen. Mit knapp 54% hat auch die neue Premierministerin Elisabeth Borne ihren Wahlkreis gewonnen, wenn auch keineswegs überzeugend. Ihren Rücktritt, den Frau Borne noch am Dienstag angeboten hatte, hat der Präsident freilich vorerst abgelehnt, der inzwischen Konsultationen mit den Parteiführern geführt hat. Darin rief er diese dazu auf, ihrer Verantwortung für das Land gerecht zu werden. Ihren Wahlkreis wiedergewonnen hat auch die gebürtige Deutsche Sabine Thillaye, sowie der für Deutschland zuständige Abgeordnete der Auslandsfranzosen, Frédéric Petit.

Praktische Politik wird jetzt schwierig. Schließt man eine Kooperation Macrons mit den anti-europäischen, teilweise anti-deutschen Extremen links und rechts aus, bleiben ihm für eine konstruktive Kooperation nur „Les Républicains“ seines Vor-Vorgängers Nicolas Sarkozy. Der ehemalige Vorsitzende der Partei, als sie noch, unter Sarkozy, UMP hieß, Jean-Francois Copé, hat noch am Wahlabend den Macronisten einen „Regierungspakt“ vorgeschlagen — freilich, fragwürdig, zu Bedingungen der „Républicains“. Der derzeitige Vorsitzende Christian Jacob hat den Platz seiner Partei nach einer Sitzung der Führungsgremien am Montag dagegen klar in der Opposition definiert. Wiedergewählte Abgeordnete der „Républicains“ andererseits hab en erklärt, sie wollten aber auch keinen „Guerillakrieg“ gegen die Regierung führen.

Unklar ist auch, wie es jetzt bei den Macronisten von „Ensemble“ weitergeht. Macrons LREM/Renaissance, die vor fünf Jahren noch allein die absolute Mehrheit geschafft hatte, stellt jetzt gerade noch zwei Drittel der Mandate von „Ensemble“. Die christdemokratischen Zentristen des „Mouvement Démocrate“ (MoDem) blieben stark. Und es gibt noch die Abgeordneten der neu gegründeten Partei „Horizons“ des ehemaligen Premierministers Edouard Philipp, der vor fünf Jahren noch zu den „Républicains“ gehörte. Außerdem ist Macronnin in seiner letzten Amtszeit. Potentielle Nachfolgekandidaten für 2027 werden jetzt anfangen müssen, sich zu positionieren.

Und der Erfolg der NUPES zeigt auch Brüche. Der Vorschlag Mélenchons, eine gemeinsame Fraktion zu bilden und damit stärkste Oppositionkraft zu sein, haben seine Partner umgehend verworfen. Sowohl die PS als auch die Grünen haben selbst Fraktionsstärke und wollen sich die damit verbundenen Privilegien nicht nehmen lassen. Auch die Kommunisten haben mit anderen „divers gauche“ inzwischen eine eigene Fraktion gebildet. Im Hochgefühl ungetrübter Freude kann sich nur eine laben: Marine Le Pen, deren Freunde statt 8 Abgeordnete jetzt deren 89 zu stellen. Ein Triumph, der zu denken gibt. DP