Die Rolle der Zivilgesellschaft

In kleinem Kreis trafen sich am 15./16. April Vertreter deutsch-französischer Gesellschaften aus beiden Ländern im Centre Robert Schuman (CERS) in Scy-Chazelles, um sich über die Rolle der Zivilgesellschaft auszutauschen. Eingeladen hatten unsere französische Partnerorganisation FAFA sowie das CERS, vertreten durch den FAFA-Präsidenten Jean-Michel Prats und den CERS-Generaldirektor Richard Stock. Die VDFG war ebenfalls durch ihren Präsidenten Jochen Hake und die Vorstandsmitglieder Dr.Beate Gödde-Baumanns, Dr. Johannes Jacobi und Dr. Detlef Puhl vertreten.

Zwei Vorträge am Samstagnachmittag gaben interessante Impulse für weiter vertiefte Diskussionen in zwei Arbeitsgruppen. Der Lothringer Dr. Christophe Arend, Büroleiter der deutsch-französischen Kulturbevollmächtigten Anke Rehlinger (Ministerpräsidentin des Saarlandes), erinnerte daran, dass unsere Unfähigkeit, uns zu verstehen, zu den großen Katastrophen von 1871 bis 1945 geführt habe. Auch jetzt komme es immer wieder zu Situationen, in denen Deutsche und Franzosen sich nicht verstehen. Unterschiedliches Verständnis unserer nationalen Kulturen und das Fehlen interkultureller Vermittler gäben auch heute noch Anlass zu Sorge. Hier liege die große Aufgabe der Zivilgesellschaften, wie sich bei der Bewältigung der Pandemie erwiesen habe. Es seien Zivilgesellschaften vor Ort im deutsch-französischen Grenzgebiet gewesen, die den Regierungen in Paris und Berlin vor Augen führten, wie sehr das Leben über die Grenzen hinweg bereits verwoben sei – weshalb die einseitig verfügten Grenzschließungen solch verheerende Folgen für das Lebensgefühl der Menschen hatten. Die Zivilgesellschaften dürften jetzt auch die Arbeit des vom Aachener Vertrag geschaffenen Zentrums für grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht allein den Regierungen überlassen. Sie müssten selbst Verantwortung übernehmen. Und sich bewusst sein, dass das, was im deutsch-französischen Verhältnis der Zivilgesellschaften geschehe, von der Welt genau beobachtet werde.

Dr. Claire Demesmay, Expertin des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW/OFAJ) in Berlin, stellte Ergebnisse jüngster Forscnhungen vor. Diese ergäben, dass in beiden Ländern das grundsätzlich positive Image des jeweils anderen dauerhaft stabil sei. Dies sei ein beruhigendes Zeichen und dem Umstand zu danken, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit (und Versöhnung nach den Katastrophen, s.o.) zum großen Teil auf zivilgesellschaftlichem Engagement beruhe. Wäre die Förderung von Städtepartnerschaften oder von Jugendaustausch, wie im Elysée-Vertrag von 1963 vereinbart, auch im Verhältnis Ukraine/Russland oder Israel/Palästina anwendbar? Sie erinnerte daran, dass die Zusammenarbeit bereits vor 1963, schon unmittelbar nach Ende des Krieges, begonnen habe – Robert Schuman ist ein Beispiel dafür. Und die Organisation von Kooperation gehe weiter: Gründung der Deutsch-Französischen Universität 1997, des Deutsch-Französischen Bürgerfonds im Aachener Vertrag 2020. So entstehe ein sich selbst ergänzendes Netzwerk von Akteuren verschiedenster Art. Freilich bedeute gutes Image noch nicht, dass man sich kennt; Stereotypen blieben erhalten. Gutes Image bedeute auch nicht Bindung; von Freundschaft werde nicht mehr so oft gesprochen, Missverständnisse nähmen zu. Blieb die Frage: Können Frankreich und Deutschland den Frieden fördern? In einem geopolitischen Umfeld, das sich sehr verändert hat? Auch hier ist noch ein deutlicher Unterschied zu vermelden. Die Institution, die in diesem Kontext das größte Vertrauen genieße, sei in Frankreich die Armee, in Deutschland die Polizei.

In zwei Arbeitsgruppen haben die Teilnehmer danach Schlußfolgerungen für die Arbeit vor Ort zu ziehen versucht. Sie werden in Kürze vorliegen. DP