Frankreichs Botschafter in Berlin, François Delattre, muss sehr zufrieden gewesen sein – er blieb fast bis zum Schluss. Die erste zentrale Informationsveranstaltung der VDFG in Berlin am 19. September war wohl mehr als ein Pflichttermin. Vielmehr nutzten der Botschafer und die versammelten Freunde Frankreichs die Gelegenheit des anschließenden Empfangs, sich noch intensiv über die Zukunft unserer Beziehungen auszutauschen. Als der Botschafter die Vertretung des Saarlandes nach gut drei Stunden verließ, konnte VDFG-Präsident Jochen Hake mehr als zufrieden sein. Die Premiere war gelungen.
Zum ersten Mal hatte die VDFG außerhalb der Jahreskongresse zu einer zentralen Informationsveranstaltung eingeladen, in der über die Frage zu reden war: „Deutsch-Französisches Engagement 60 Jahre nach dem Elysée-Vertrag: Aufbruch oder „Weiter so“?“ In der Landesvertretung des Saarlandes, dessen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger seit kurzem Kulturbevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die kulturelle Zusammenarbeit mit Frankreich ist, tauschten sich Experten und Akteure auf zwei Podien aus.
Die Ministerpräsidentin hatte die Eingeladenen in einer Videobotschaft „auf saarländischem Boden“ begrüßt und gemahnt, dass ein Aufbruch vonnöten sei, dieser aber nicht in einem einmaligen Ruck bestehen dürfe. Es dürfe auch nicht nur ein Aufbruch der Politiker sein, sondern einer, der in der Zivilgesellschaft stattfinden müsse. „Wir werden nur dann eine gute Zukunft haben, wenn wir sie als gemeinsame Zukunft begreifen,“ sagte die Regierungschefin des Bundeslandes, das wohl die engsten Beziehungen zu den französischen Nachbarn unterhält. VDFG-Präsident Jochen Hake kündigte in seiner Begrüßung an, dass diese zentrale Veranstaltung der Auftakt zu einer Reihe von Veranstaltungen sein soll, mit denen die VDFG, die sich ja als Kraft der Zivilgesellschaft versteht, das Thema umfassend und auf Dauer ins Bewusstsein heben wolle. Denn es handele sich hier nicht um eine rhetorische Frage, sondern eine, die von der Sorge um die Zukunft getragen ist.
Auf dem ersten Podium diskutierten Botschafter Delattre und die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium, Franziska Brantner, darüber, wie viel Einigung zwischen oft gegensätzlichen Positionen Deutschlands und Frankreichs möglich sei. Die Staatssekretärin aus dem badischen Grenzland plädierte dafür, offen und ehrlich mit vorhandenen Konflikten umzugehen und daraus konkrete Einigung zu schaffen. Und die Grüne zählte Kompromisse auf, die zum Beispiel in umstrittenen Fragen der Energiepolitik gelungen seien. Es gehe aber immer auch um die Frage, wie die jetzt Verantwortlichen die erzählte Aussöhnungsgeschichte unserer beiden Länder (Elysée-Vertrag) an die nächste Generation weitergeben könne.
Botschafter Delattre würdigte das Engagement der Zivilgesellschaft, wie etwa der VDFG und der DFGen, als „den wahren Schatz der deutsch-französischen Freundschaft.“ Es beruhe auf dem Austausch und den Begegnungen von Menschen. Daraus ergebe sich für ihn eine „Botschaft des Optimismus und des Vertrauens“ in den deutsch-französischen Beziehungen. Diese müssten freilich grundlegend erneuert werden angesichts völlig neuer wirtschaftlicher und technologischer Bedingungen. Unabhängig vom Krieg in der Ukraine, die heute viele Debatten präge, seien wir am „Ende eines deutsch-französischen Zyklus“ angelangt. Unsere Länder müssten nun eine neue gemeinsame Agenda entwickeln, die sich v.a. um Themen wie künstliche Intelligenz, eine Industriestrategie für die Energiewende, aber auch die Förderung des gegenseitigen Spracherwerbs drehen müsse. Dazu seien die neuen Formate, die der Aachener Vertrag von 2019 geschaffen habe, zu nutzen. Besonders erfreut zeigte sich der Botschafter darüber, dass die von der Botschaft unterstützte „Initiative Frankreich-Ostdeutschland“ begeistert aufgenommen worden sei.
Auf dem zweiten Podium tauschten sich die Bundestagsabgeordneten Nicole Westig (FDP), Yannick Bury (CDU) und Christian Petry (SPD) sowie Nadia Pantel (DER SPIEGEL), Charlotte Dannehr (DFG Schleswig-Holstein) und Jacob Ross (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP) über die Frage aus, ob es eine neue Idee für die deutsch-französischen Beziehungen geben müsse. Die Abgeordneten sind alle auch Mitglieder der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) und nehmen an einem einzigartigen Experiment teil – der intensiven Zusammenarbeit unserer beiden Parlamente in einem gemeinsamen Gremium, das damit begonnen hat, sich seinen Platz im Gefüge der Zusammenarbeit zu erobern. Mit kleinen konkreten Schritten, über die deutsche und französische Volksvertreter gemeinsam beraten; mit der Schaffung neuer Orte und Gelegenheiten der Begegnung, insbesondere in den Grenzregionen; als „Dienstleister für die Zivilgesellschaft.“ Jacob Ross erinnerte an Emmanuel Macrons Idee der Entwicklung eines „Europe qui protège“, eines Europas, das schützt, als neue Grundidee für die Entwicklung der deutsch-französlschen Freundschaft. Nadia Pantel rief dazu auf, das „Mahnende“ aus der Debatte über das Deutsch-Französische herauszunehmen und zu fragen, wie wir uns öffnen können. Und Charlotte Dannehr erinnerte daran, dass junge Menschen sich eher für konkrete Projekte engagieren als für Vereine. „Junge Menschen ziehen junge Menschen an,“ sagte sie – dort, wo sich junge Menschen engagieren, werden bald weitere folgen.
Dass persönliches Engagement erfolgreich sein kann, stellte VDFG-Vorstandsmitglied Sylvaine Mody vor. Sie hat die Gründung der DFG Oldenburg in Holstein und die Städtepartnerschaft mit der Stadt Blain (Loire-Atlantique) initiiert. Nicht die Stadtoberen sollten die neue Partnerschaft organisieren, sondern ein Komitee aus Vertretern der Zivilgesellschaft. So konnten in beiden Städten Menschen davon überzeugt werden, dass es wert ist und Spass macht, deutsch-französische Freundschaft zu leben – auch weit entfernt von einander.
Erfolgsgeschichten und Nachdenken über neue Ideen – das war das Resultat dieses Abends in Berlin, der viel Raum für Optimismus lässt und Lust auf Fortsetzung macht. Und der übrigens kompetent und aufgelockert moderiert wurde vom VDFG-Jugendvertreter im Vorstand, Felix Lennart Hake. DP