An ihrem ersten “Arbeitstag” diskutierten die Teilnehmer des 65. Jahreskongresses in St. Brieuc Fragen der “transition énergétique”, also des Umbaus der Energieversorgung in Europa bis 2050. Studenten aus beiden Ländern stellten zunächst den neuesten Stand der technologischen Forschung in Deutschland und Frankreich , vor allem der Behandlung von CO2 vor (Funktion und Auswirkung des Preises; mögliche Verwertung). Dann stellten sich Verantwortliche in Politik und Energieunternehmen der Diskussion über den derzeitigen Sachstand in der öffentlichen Debatte über dieses Thema. Anschließend drehten sich die Beiträge und Fragen um die Strategien für die Zukunft, insbesondere in Bezug auf die Nutzung von Wasserstoff, auf dessen Produktion aus organischen Rohstoffen, aber auch in Bezug auf die Nutzung radioaktiven Abfalls zur Stromerzeugung und die internationalen Strategien zur Reduzierung des CO2-Ausstosses weltweit, vor allem jedoch in Europa. Und schließlich wurden auch die Themen der gesellschaftlichen Konsequenzen der Decarbonisierung unserer Energieversorgung erörtert. Spannende Fragen in einem politisch heiklen Umfeld, das auf deutscher Seite von den beginnenden Koalitionsverhandlungen über eine neue Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen, auf französischer Seite von den jüngsten Erklärungen von Präsident Emmanuel Macron geprägt ist, der zur Erreichung des Ziels einer CO2-freien Energieversorgung auch den Bau neuer, kleinerer Atomkraftwerke ins Spiel gebracht hat.
Der zweite Arbeitstag war den “Ateliers”, den Arbeitsgruppen vorbehalten, in denen eine Vielzahl von Themen angeschnitten wurden, von Unterschieden im Verständnis europäischer Geschichte, über Digitalisierung oder die Vereinswelt in beiden Ländern, die ja jeweils ihre eigenen Partnerschaften pflegen, “intergenerationelle” Themen und Sprachunterricht, oder umfassendere Themen wie “Wirtschaft” oder “Europa”.
Zum Schluss fand noch eine sehr animierte, höchst interessante Podiumsdiskussion über die “europäische Staatsbürgerschaft” statt, die vor allem politische geprägt war – vom Abgeordneten der Auslandsfranzosen in Deutschland, Frédéric Petit, über Dr. Franziska Brantner, MdB der Grünen und Mitglied im Kuratorium der VDFG, den ehemaligen Bürgermeister von Rennes und Abgeordneten Edmond Hervé, bis zur Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), Anne Tallineau, und der Historikerin Marion Gaillard. Hier kam vor allem der Mangel an einer “europäischen öffentlichen Debatte”, die Notwendigkeit der Teilnahme der Bürger an einer öffentlichen Debatte und die wichtige Rolle zur Sprache, die deutsch-französische Städtepartnerschaften in diesen Zusammenhang spielen können. Diese und auch das DFJW könnten vor allem dabei helfen, bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Länder ein Gefühl europäischer Zusammengehörigkeit zu schaffen, das für die Schaffung einer europäischen Staatsbürgerschaft unbedingt vonnöten ist. Dazu brauche es Zeit, hieß die Mahnung. Und es bleiben grosse Differenzen in den politischen Ansätzen , die in Berlin und Paris immer noch verfolgt werden,zu überwinden.
Alles in allem war dies ein Kongress, eine “Begegnung/Rencontre” von VDFG und FAFA in der sonnigen Bretagne, der viel Stoff zum Nachdenken, Mitdenken, Weiterdenken bot, der uns für die nächsten Jahre wahrscheinlich vor Aufgaben stellt, die wir als binationale zivilgesellschaftliche Vereinigung, die sich für internationale Verständigung und die Einigung Europas einsetzt, mit zunehmender Dringlichkeit zu bearbeiten haben. DP