Die Stichwahl um die Präsidentschaft am 24. April hat der amtierende Präsident Emmanuel Macron ziemlich deutlich gewonnen: Mit 58,5% der abgegebenen Stimmen besiegte er klar seine Herausforderin Marine Le Pen, die 41,5% erzielte. Im ersten Wahlgang am 10. April hatten sich Macron und Le Pen, wie vor fünf Jahren, für die Stichwahl am 24. April qualifiziert. Nach Angaben des Verfassungsrats (Conseil Constitutionnel), der das Wahlergebnis überprüfen muß, hatte Macronim ersten Wahlgang 27,9% und Le Pen 23,2% der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten. Damit lagen beide über ihren Ergebnissen vor fünf Jahren. Jetzt, im zweiten Wahlgang, konnte Le Pen noch einmal deutlich zulegen (von 33,5% auf 41,5%), während Macron Verluste hinnehmen mußte (von 66,5% auf 58,5%).
Le Pen bezeichnete ihr Abschneiden denn auch als „eklatanten Erfolg“ und kündigte an, daß sie weiter kämpfen werde. Am 12. und 19. Juni stehen die Parlamentswahlen an. Macron versprach, daß er auch auf diejenigen zugehen werde, die ihn nicht wegen seiner Politik, sondern nur gewählt haben, um einen Sieg von Le Pen zu verhindern. Und er versprach, unter anderem, niemanden zurückzulassen und ein Präsident für alle zu sein – eine Antwort auf Le Pens Erzählung, daß nur sie, und nicht der „Präsident der Reichen“, sich für die Zurückgelassenen einsetzen werde, für „das Volk.“ Der „dritte Wahlgang“ (Mélenchon) hat begonnen, der Kampf um die Mehrheit in der Assemblée Nationale.
Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon hatte im ersten Wahlgang mit 22,0% nur knapp den Einzug in die Stichwahl vrepaßt; er hatte ebenfalls im Vegleich zu 2017 zugelegt. Alle anderen Kandidaten waren weit abgeschlagen. Éric Zemmour, der rechtsextreme Journalist, kam auf 7,1%, noch vor Valérie Précesse, der Kandidatin der alten gaullistischen Partei der „Republikaner“, die gerade einmal 4,8% erreichte und damit nicht nur weit entfernt von den Ergebnissen von Francois Fillon vor fünf Jahren, sondern auch weit unter ihren letzten Umfrageergebnissen blieb. Auch der Grüne Yannick Jadot enttäuschte mit 4,6, knapp vor dem Kommunisten Fabien Roussel (2,3%) und der Kandidatin der Sozialisten, Anne Hidalgo (1,7%), die ein desaströses Ergebnis einfuhr. Die Wahlbeteiligung lag mit ca. 74% knapp unter der von 2017. Im zweiten Wahlgang betrug sie ca. 71%.
Dem Linkspopulisten Mélenchon hatten am Ende nur knapp 425.000 gefehlt, um statt Marine Le Pen in die Stichwahl gegen Macron zu kommen; gut die Hälfte der Stimmen, die der Kommunist Roussel auf sich vereinte, der vor fünf Jahren auf eine Kandidatur zu seinen Gunsten verzichtet hatte. Ebenso bemerkenswert ist, daß Macron im ersten Wahlgang nur gut 600.000 Stimmen mehr erhalten hatte, als die linksradikalen Kandidaten (außer Mélenchon und Roussel waren dies Philippe Putou und Nathalie Arthaud). Zugleich war der amtierende Präsident um gut 1,5 Millionen Stimmen hinter allen rechtsradikalen Kandidaten zurückgeblieben (außer Le Pen waren dies Zemmour und Dupont-Aignan).
Nun schaut Frankreich gespannt auf die Parlamentswahlen im Juni. Sowohl im rechten, wie im linken Lager wurde schon zur Einigkeit aufgerufen. Allerdings hatten die traditionellen Parteien bei der Präsidentschaftswahl schon keine Rolle mehr gespielt. Die beiden bisher staatstragenden Parteien „Republikaner “ und Sozialisten, die bis 2017 alle Präsidenten und Regierungen der fünften Republik gestellt haben, waren im ersten Wahlgang zusammen auf gerade mal 6,5% gekommen. Die extremen Parteien wiederum, die im ersten Wahlgang zusammen auf 55% gekommen waren, spielten in der Nationalversammlung aufgrund des Wahlrechts keine Rolle. Die Abgeordneten werden alle direkt gewählt; sie müssen sich, wenn sie im ersten Wahlgang nicht mindestens 50% der abgegebenenStimmen erhalten, einem zweiten Wahlgang stellen, für den dann gewöhnlich unter den Parteien Absprachen getroffen werden, um Mehrheiten für die Extremen zu verhindern.
Nun wird zu verfolgen sein, ob und wie sich die traditionellen Parteien für die Parlamentswahlen „berappeln“, wie solide die politische Bewegung von Emmanual Macron (La République en Marche, LREM) nach fünf Jahren an der Macht geworden ist (bei Lokal- und Regionalwahlen hat sie nicht überzeugen können) und wie stark die extremistischen Parteien tatsächlich im Land verankert sind. Hinzu kommt, daß das Ergebnis der Parlamentswahlen auch mit darüber entscheiden wird, wie sich der Wettbewerb um die Nachfolge Macrons entwickeln wird, der in fünf Jahren nicht noch einmal antreten darf. DP